Spazieren auf Schollen. Gespräch mit einem Walross (Auszug)

Ich war am Nordpol auf Schollen spazieren, als mir ein Walross begegnete. Es bequemte sich, ausgestreckt zu liegen, möglichst keine unnötigen Anstrengungen auf sich nehmend. Einem Cäsar gleich lag es da, mit majestätischen Ausmassen: drei Meter in Länge, der Brustumfang mehr als ein Meter. Zwei gewaltige Stosszähne, die das kaiserliche Haupt stützten, strotzten nur so vor elfenbeinerner Weisheit, vom denkerischen Gewicht waren sie tief in das Eis gebohrt. Sie selbst entsprangen einem Schnauz wie ihn nur Philosophen können. Wild und gewaltig zeugt solches Schnauzhaar vom Charakter seines Trägers, der furchtlos in jedwede Abgründe und Untiefen menschlicher und tierischer Existenz zu blicken vermag; demgleich mächtig blitzten diese zwei schneidend kleinen, kullerrunden Walrossaugen auf das tobende Wasser hinaus und ich fragte mich, was in einem solchen Tier wohl vor sich ging. Ich folgte den Blitzen in den Sturm und vor mir entfaltete sich das Schauspiel jener Gewalten, die philosophischen Tieren alltäglich sind: Eisberge kippten, Landschaften brachen, Himmel und Meer vermischten sich, Schwärze brach in die Welt und schluckte den Horizont. Der Wind griff in mein langes Haar und in den Schnauzbart der Philosophengestalt neben mir, während wir gemeinsam unerschrocken der Scholle Sturm durchschifften. Leider hielt der Moment nicht für lange. Etwas schien das Walross in der Nase zu kitzeln und als es niesen musste, kam fort wie aus der tiefsten Höhle der dröhnenste Donner und das Unwetter war wie weggeblasen. Blauer Himmel erstreckte sich wieder über unseren Köpfen und Licht flutete die Welt. Das Meer gewann seine Farbe und sein Glitzern zurück und alle Bedrohlichkeit war versenkt. Auf einer treibenden Scholle irgendwo im Meer stand ich neben dem Walross, das mich erst jetzt bemerkte.